Homonationalismus und Pinkwashing – Homorechte im Dienst der Nation

Vortrag und Diskussion mit Yossi Bartal
Freitag 12. Juli 2013 | 20 Uhr | Bürger_innenwache am Siegfriedplatz

Pro-Köln sind pro-schwul, Waffenproduzenten unterstützen LGBT-Organisationen und Westerwelle verbreitet den Geist der deutschen Toleranz in der Welt: Homorechte sind in und westlich und werden auch von rechten Parteien und dem militärisch-industriellen Komplex entdeckt.
In den letzten Jahren haben sich die Debatten um Rechte für Homosexuelle und sexuelle Emanzipation stark verändert: Statt eine radikale Kritik an Staat und Patriarchat zu formulieren, konzentrieren sich die politischen Kämpfe von westlichen LGBT Organisationen auf die Eingliederung in existierende staatliche und wirtschaftliche Strukturen, wie Ehe, ausbeuterische Konzerne oder das Militär. Diese neue ,Lebenspartnerschaft‘ zwischen dem Staat und der Schwulenbewegung änderte nicht nur die politische Positionierung von LGBT-Organisationen, sondern beeinflusste auch rassistische und nationalistische Diskurse, die das Thema Homosexualität, oder besser gesagt, die Toleranz ihr gegenüber, als das neue Symbol westlicher Überlegenheit entdeckten und für ihre Zwecke instrumentalisieren. So wollen plötzlich CDU-Mitglieder die sexuelle Vielfalt durch rassistische
Polizeikontrollen verteidigen und Pro-Köln will deutsche Schwule vor ‚homophoben Muslimen‘ schützen.
Solche komischen Zusammenstöße spielen sich aber nicht nur am rechten Rand ab: In den USA zum Beispiel wurde ein Drohnenhersteller zum größten Geldgeber einer LGBT-Kampagne und der CSD Verein in San Francisco bekräftigt seine Treue zum amerikanischen Militär und erklärt den Whistleblower Bradley Manning zum Verräter.
Die Integration von Homorechten in nationalistische Diskurse und umgekehrt, wird seit einigen Jahren von feministischen und queeren Philosoph_innen und Aktivist_innen heftig kritisiert und mit dem Begriff Homonationalismus beschrieben.
Anhand verschiedener Beispiele aus den USA und Europa wird der Vortrag die Entwicklung dieses Phänomens aufzeigen, bevor dann die israelische Pinkwashing-Kampagne näher betrachtet wird.
Pinkwashing bezeichnet einen Teil der offiziellen internationalen PR-Kampagne der israelischen Regierung “Brand Israel”. Diese soll Israel das Image einer liberalen und westlichen Demokratie verpassen, und damit die Weltöffentlichkeit von Besatzung, Krieg und rassistischer Diskriminierung ablenken. Die Stilisierung Israels im Ausland, als ein Land, in dem Schwule gleichberechtigt seien, dient in diesem Zusammenhang nicht der Verbreitung von LGBT-Rechten, sondern verfolgt das Ziel, von gravierenden Menschenrechtsverletzungen der israelischen Regierung abzulenken. Dass diese Kampagne aktuell von einer rechten und teilweise religiösen Regierung geführt wird, in der viele offen homophobe Mitglieder sind, beweist, wie wenig diese Kampagne tatsächlich mit LGBT-Rechten in Israel zu tun hat. Durch die Pinkwashing-Kampagne werden zudem die Israel umgebenden arabischen Länder als homophob abgestempelt. Es wird eine angebliche Rückständigkeit der arabischen Welt propagiert und an ein islamophobes und kolonialistisches Gedankengut des Westens angeknüpft. Dies nutzt die israelische Regierung auch als Legitimation für ihre aggressive Besatzungs- und Kriegspolitik. Interessant dabei ist der Shift in der Art der Rechtfertigung kolonialer Unterdrückung. Dienten früher homosexuelle Praxen als Beweis der ‚Rückständigkeit‘ des ‚Orients‘, ist es heute die dem Orient angeblich inhärente Homophobie, die für die gleichen Zwecke benutzt wird.

Der Referent Yossi Bartal ist seit mehreren Jahren in antirassistischen und queeren Initiativen in Israel-Palestine und
Berlin aktiv.

Freitag, 12. Juli 2013 | 20 Uhr | Bürger_innenwache am Siegfriedplatz
in Kooperaton mit dem FemRef* der Uni Bielefeld